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Schalom und Salām

Juden und Muslime kommen ins Gespräch

© GettyImages / Viktor Makhnov / FatCameraMiteinander reden statt übereinander - Juden und Muslime

Von Carina Dobra

Die Zahl antisemitischer Anfeindungen steigt. Nicht selten haben auch Muslime Vorurteile gegenüber Juden. Initiativen wollen zwischen jungen Gläubigen vermitteln und offen miteinander sprechen – auch über das, was trennt.

Die Farben knallen, erregen Aufmerksamkeit. Das ist genauso gewollt. Der Online- und Social-Media-Auftritt von „Schalom Aleikum“ setzt auf neongrün, gelb und pink. Das Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland zielt besonders auf junges Publikum. Vordergründig Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime. Aber auch Menschen anderer Religionen.

Seit 2019 bieten die Macher von „Schalom Aleikum“ Diskussionveranstaltungen an. Themen waren zum Beispiel jüdische und muslimische Perspektiven auf Männlichkeit, jüdische und muslimische Gastronomen im Gespräch oder unter dem Titel „Let‘s work ist out“ Erfahrungen jüdischer und muslimischer Sportlerinnen und Sportler.

Die Formel „Schalom Aleikum“ vereint die hebräische und die arabische Begrüßung. Der Name ist Programm, wie Projektleiter Dmitrij Belkin erklärt. Das Ziel: Miteinander reden, nicht übereinander. Offen, ehrlich, auf Augenhöhe und jenseits der Funktionärsebene: „Unsere Zielgruppen sind nicht offizielle Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Öffentlichkeit und auch keine langjährigen Dialogprofis, sondern in erster Linie Menschen, die uns im alltäglichen Leben begegnen“, betont der Leiter.

So sitzen etwa bei der Online-Gesprächsrunde zu Rassismus und Sport die muslimische Basketballspielerin Beyza Genc und der jüdische Fußballspieler Leonard Kaminski von Makkabi Berlin zusammen und berichten von ihren Erlebnissen auf dem Spielfeld. Da fallen Sprüche wie „Gegen Juden verlieren wir nicht“, erzählt Leonard. Und auch Beyza hat schon rassistische Kommentare gehört.

Auf dem „Schalom Aleikum“-Instagram-Profil berichten auch einige Teilnehmende von ihren Erfahrungen, geben Feedback zu den Veranstaltungen. So schreibt die 18-jährige Naomi: „Wir alle teilen extrem ähnliche Erfahrungen“, und der 23-jährige Yasin meint: „Wir haben gemerkt, dass wir mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Und auch, dass kleine Unterschiede schön sind. Sonst wäre es langweilig.“

Durch Corona mehr antisemitische Vorfälle

Projekte wie „Schalom Aleikum“ scheinen nötiger denn je: Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) registrierten 2020 bundesweit 1909 Fälle von Antisemitismus, von Beschimpfungen bis Drohungen und körperlichen Angriffen. Das waren rund 450 mehr als im Vorjahr. Die Studienmacher gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele der Taten hatte einen direkten Bezug zur Corona-Pandemie. Verschwörungstheorien haben aktuell Hochzeit, viele davon richten sich gegen Juden.

Wie viel antisemitische Hetze von muslimischer Seite kommt, ist natürlich nicht erfasst. Dass es jedoch ein Problem mit muslimischen Antisemitismus gibt, da sind sich Experten sicher. Auch Dmitrij Belkin, der selbst als jüdischer Kontingentflüchtling aus der Ukraine nach Deutschland kam, sagt: „In den muslimischen Communities Deutschlands ist Antisemitismus ein existierendes und präsentes Problem.“ Bei vielen Jüdinnen und Juden hierzulande entstehe eine berechtigte Angst vor dieser Form von Antisemitismus.

Historiker warnt vor Generalverdacht

Zeitgleich warnt der Historiker vor einem Generalverdacht: „Einige muslimische Akteurinnen und Akteure nehmen diese Status quo jedoch nicht hin. Sie rufen öffentlich dazu auf, das Problem des Antisemitismus in den eigenen Reihen klar zu benennen und ihm entgegenzuwirken.“

So sind in den vergangenen Jahren neben „Schalom Aleikum“ einige Bildungsprojekte für den Dialog zwischen Judentum und Islam gestartet. In München feiern beide Religionsgemeinschaften seit 2016 das Festival „AusARTen“, ein Projekt des Münchner Forums für Islam, das es in ähnlicher Form inzwischen auch in Berlin gibt und in diesem Jahr am 11. November mit einer Auftaktveranstaltung aus Kurzvorträgen, Gesang, Musik, Theater und Tanz beginnt.

Der Thinktank „Karov-Qareeb“ möchte nach eigenen Angaben eine Plattform für junge Jüdinnen und Muslimen aufbauen. Das Projekt bietet einen Raum, in dem die Teilnehmenden eigene Wünsche formulieren, die Nähe jüdischer und muslimischer Lebensrealitäten erkunden und sich mit eigenständig gewählten Themen auseinandersetzen. Ähnlich lautet das Prinzip des Projekts „Schalom und Salam“ vom Stuttgarter Verein „kubus“. Mehrheitlich junge Menschen mit eigener Antisemitismus- und Rassismus-Erfahrung entwickeln hier eigene Projekte, um Vorurteilen entgegenzuwirken. Im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ findet in München außerdem ein jüdisch-muslimischer Stammtisch statt.

Auch das „Heidelberger Bündnis für jüdisch-muslimische Beziehungen“ mit Formaten wie den jüdisch-muslimische Kulturtagen in Heidelberg und dem „Mekka und Jerusalem“, möchte mit Juden und Muslimen in den Austausch kommen. Man habe lange Zeit aneinander vorbei geredet, sagt Frederek Musall, Judaist an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg und Antragsteller des im Frühjahr dieses Jahres gestarteten Bündnisses.

Die Kulturtage gibt es seit 2015, die erste Podcast-Folge lief vor zwei Jahren. Mit dem Podcast wollen Musall und sein Team hauptsächlich Studierende erreichen. Unter dem gleichen Namen betreiben die Kollegen einen Instagram-Kanal. Gerade auf Social Media gibt es viel Aufklärungsarbeit zu leisten, wie Musall beobachtet: „Da sind Fotos zu sehen mit brennenden Israelfahnen“, vieles sei total verkürzt dargestellt. „Mekka und Jerusalem“ soll Nachrichten einordnen, Hintergründe liefern. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, haben Musall und seine Mitstreiter eine Folge auch auf arabisch aufgenommen. „Da gibt es recht wenig Angebote“, sagt Musall.

Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede

Juden und Muslime hätten oftmals ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht, meint Musall. Und auch sonst gibt es so einige Gemeinsamkeiten: Etwa beim Essen, wenn es um Speisegesetze geht. Trotzdem – und das ist Musall auch wichtig zu betonen – gibt es auch Trennendes. Zum Beispiel das Thema Israel. Das Land habe eine Bedeutung für Juden. Auch für jene, die sich nicht als besonders religiös bezeichnen. „Da werden wir nicht auf einen Nenner kommen“, glaubt Musall. „Aber wir können uns trotzdem friedlich begegnen und sensibel sein.“

 

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